Diese Woche hatte ich ein Gespräch mit ein paar Kolleginnen, die einen Dogwalker, die anderen Hundetrainerinnen. Es ging um die uns sehr bekannte Aussagen
Training mit Leckerlis ist Bestechung
Bei manchen Hunden hilft keine Konditionierung.
Wir arbeiten ohne Konditionierung
Unabhängig davon, wie jeder mit seinem Hund trainiert - ob mit Belohnungen oder über Strafen - diese Aussage ist einfach falsch. Ich gehe sogar soweit zu behaupten: Wenn belohnungsbasiertes Training Bestechung ist, dann ist strafbasiertes Training ERPRESSUNG...puuuhhh... Eine krasse Aussage, oder?
Also habe ich mir überlegt meine grauen Zellen zu aktivieren und das Wissen aus meinem Psychologiestudium hervorzukramen. Ich möchte euch ein paar Grundlagen mitgeben zum Thema: Wie lernt das Gehirn eines Säugetieres (also Hund und Mensch) und was passiert wann und wie. Ich gebe mir sehr viel Mühe es nicht so trocken zu gestalten... *drückt mir und euch die Daumen ;-) *
Faktencheck: Wir arbeiten ohne Konditionierung
Nun fangen wir mal ganz vorne an. Irgendwann hat ein Mann mit dem Namen Pawlow seinem Hund beim Füttern zugesehen und hat gemerkt, sobald dem Hund die Schüssel vorgesetzt wird, sabbert der Hund. Übrigens ein Verhalten, dass auch wir Menschen haben. Daher stammt der schöne Satz: da läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Pawlow hat wohl bei sich gedacht: Wenn Futter Speichelfluss auslöst, könnte dann nicht prinzipiell auch etwas anderes den Speichelfluss auslösen? Also hat er gegrübelt und ist dazu übergegangen das Füttern um einen Baustein zu ergänzen. Er läutet eine Glocke und stellt das Futter hin. Das macht er so oft, bis das Läuten der Glocke für die Hunde ein Signal wird für: Ou, da kommt gleich Futter....und was ist passiert? Sabber, sabber, sabber....
Herzlich Willkommen in der Welt der klassischen Konditionierung. Pawlow ist das Experiment sehr bewusst eingegangen. Die Änderung die bei den Hunden statt gefunden hat war allerdings unbewusst. Sie konnten das speicheln (ein automatischer Vorgang des Körpers) nicht steuern.
Übertragen wir das Beispiel mal in unsere Menschen Welt. Kennt ihr Menschen, die sich an einem alkoholischen Getränk schon einmal einen Ekel angetrunken haben? Tequila soll dafür sehr beliebt sein. Es wurde irgendwann so viel getrunken, dass einem übel geworden ist und man sich im schlimmsten Fall übergeben hat - ein automatischer Vorgang. Wenn die Person jetzt den Duft von Tequila riecht, löst das direkt Übelkeit aus. Herzlich Willkommen in der Welt der klassischen Konditionierung!
Ein anderes Beispiel. Eure erste Freundin oder Freund, die erste große Liebe, trug einen ganz bestimmten Duft. Alternativ kann man auch sagen, der Mensch, den ihr am wenigsten leiden könnt (um es etwas dezent auszudrücken) trägt ein bestimmtes Parfum. Euer Gehirn ordnet (ohne, dass ihr es steuern könnt) diesen Duft dieser bestimmten Person zu. Nach einer langen Weile lernt ihr jemanden kennen. Diese Person trägt genau diesen Duft. Habt ihr ihn mit der großen Liebe verknüpft, werdet ihr wahrscheinlich Sympathie empfinden. War das der Duft eures Erzfeindes, hat der Mensch es direkt mal schwer mit euch ins Gespräch zu kommen. Auch hier sprechen wir von einem automatischen Vorgang im Gehirn. Herzlich Willkommen in der Welt der klassischen Konditionierung.
Da das Gehirn diese Verbindungen automatisch herstellt, wir Säugetiere es nicht willkürlich steuern können, ist die Aussage man könne ohne Konditionierung durch's Leben gehen, einfach falsch und zwar wissenschaftlich widerlegt falsch.
Wenn ihr also mit einem Trainer eurer Wahl sprecht und der euch sagt, wir arbeiten nicht mit Konditionierung, dann schnappt euch euren Hund und sucht weiter. Dieser Mensch hat in seiner Trainerausbildung einfach gepennt! Denn der Hochleistungsrechner der die Schädeldecke von unserem Kiefer trennt, arbeitet IMMER.
Facktencheck: Training mit Leckerlis ist Bestechung. Bei manchen Hunden hilft keine Konditionierung
Wie so oft bleibt die Wissenschaft natürlich nicht stehen. Also hat sich ein Herr Skinner irgendwann mal hingesetzt und gesagt, Mensch es muss doch eine Möglichkeit geben, Verhalten zu formen, festigen oder sogar zu minimieren. In seinem Labor ist er fündig geworden und die operante Konditionierung war geboren - das Lernen über Konsequenzen.
Die Operante Konditionierung besteht aus vier Bausteinen. Ich habe euch direkt ein Beispiel mit aufgeschrieben:
Operante Konditionierung | positiv | negativ |
Verstärkung | Positive Verstärkung
Verhalten soll öfter gezeigt werden | Negative Verstärkung
Verhalten soll öfter gezeigt werden |
Strafe | Positive Strafe
Verhalten soll weniger werden | Negative Strafe
Verhalten soll weniger werden |
Ich habe bewusst Beispiele gewählt, die aus unserer "Menschenwelt" kommen. Denn auch in unserem Gehirn bedient sich dieser Technik. Ihr erinnert euch? Säugetiere!
Wenn mein Hund also ein Verhalten zeigt, was ich gut finde, was ich gerne öfter sehen möchte, muss ich ihm auf irgendeine Art und Weise Feedback geben. Nur so kommt im Gehirn des Hundes die Info an: aaaaaa, Verhalten gut, Glücksgefühl durch entsprechende Hormone mega, mach ich öfter.
Wenn kein Feedback kommt, war es wohl nicht relevant. Keine Chemie im Körper!
Das ist in erster Linie KOMMUNIKATION. Und das haben doch die Hunde, die wir in unsere Welt geholt haben, die sich das Zusammenleben mit uns nicht ausgesucht haben, die unter anderen Umständen nicht an der Leine laufen müssten und ständig an einem anderen Hund vorbei dackeln müssen, verdient.
Gehen wir noch einen Schritt weiter. Ein Hund zerrt an der Leine. Ich blocke seinen Zug, indem ich mich einfach in den Weg stelle oder an der Leine rucke. Der Hund findet das unangenehm und hört damit auf. Die Info im Gehirn des Hundes lautet: aaaaa, Verhalten doof, Stress, Fühlt sich doof an, lass ich lieber.
Dann ist auch das in erster Linie eine Form der KOMMUNIKATION. Ob eine schöne oder schlechte Form muss jeder für sich entscheiden aber es ist Feedback.
Wenn jemand also sagt, Training mit Keksen ist Bestechung, dann sage ich: Training über Strafe ist Erpressung. Erpressung deswegen, weil ich meinem Hund vermittele: Lass den Scheiss, dann werde ich auch nicht mehr blöd.
Und beide Formen sind Konditionierung - at its best.
Wenn also jemand dir sagt, Arbeit mit Keksen oder mit Belohnungen sei Bestechung, dreh dich um, pack deinen Liebling ein und sei stolz auf dich, dass du deinen Hund eben nicht erpressen musst ;-)
Und ist euch mal was aufgefallen? Alles was wir hier besprechen ist Konditionierung. Das eine über Belohnung - gib mir mehr, das andere über Strafe - bitte weniger. So funktioniert das Gehirn eines Säugetiers-Mensch wie Hund.
In wie weit stimmt also die Behauptung, dass bei manchen Hunden Konditionierung nicht hilfreich sei? Es sei an der Stelle erwähnt, dass hiermit oft gemeint ist, dass die Belohnung von gutem Verhalten bei vielen Hunden nicht hilfreich sei...
Nun, eigentlich muss man sagen, dass eben das Gehirn dieses Tieres ein biologisches Wunder wäre. Denn dieses Tier könnte sein Gehirn steuern und ganz bewusst das Lernen über Belohnungen ablehnen und statt dessen nur über Strafen reagieren. Und ehrlich, das Exemplar würde ich mir tatsächlich auch von Nahem ansehen.
Also auch das ist wissenschaftlich einfach falsch. Auch dieser Trainer*in hat in seiner Ausbildung gepennt. Und auch hier pack deinen Hund ein und geh!
Ich hoffe, ich konnte dir das Thema: wie lernt eigentlich das Gehirn eines Säugetieres näher bringen. Und vielleicht bist du jetzt etwas sensibilisiert für die eine oder andere Aussage, hast sogar einen guten Konter parat.
Beide Arten einen Hund zu trainieren kommen nicht ohne Nebenwirkungen und beide sind auf ihre Art erfolgreich. Das muss auch gesagt werden. Was aber Vor- und Nachteile sein können, besprechen wir wann anders.
Ich glaube, für heute reicht es. Also Pfote drauf und bis zum nächsten Mal.
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